Ostern – dem Leben entgegen

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Liebe Leserin! Lieber Leser!

Ich kenne Menschen, die schauen sich bestimmte Filme mehrfach an. Gehören Sie zu dieser Menschengruppe? Eine Bekannte von mir hat sich den Film „Titanic“ vier oder fünf Mal angesehen. Ich kann das nur bedingt verstehen. Sich einen Film mehrfach anzusehen, finde ich doch eher langweilig. Wenn ich ihn einmal gesehen habe, weiß ich, wie er ausgeht, dann ist doch die ganze Spannung dahin. Und für mich, wie wohl auch für die meisten, verliert ein Film dann seinen ganzen Reiz.

Manchmal, so ist mein Eindruck, ist für Menschen Ostern etwas wie ein Film, den man schon zigmal gesehen hat. So wie in der Karwoche die alten Historienschinken als Wiederholung im Fernsehen präsentiert werden, genau so gibt es in der Kirche am Karfreitag die Passion und die Auferstehungsfeier in der Osternacht. Ein Historienschinken, nur eine Wiederholung? Manche Filme sind zu Kultfilmen geworden.

Ist Ostern für viele nicht etwas Ähnliches? Ein Kult, der ungefragt in jedem Jahr einfach dazugehört. An Weihnachten geht man in die Christmette, an Silvester schaut man den „90sten Geburtstag“ und an Ostern gehören die Ostereier, das Osterfrühstück und vielleicht auch die Auferstehungsfeier dazu.

Eine Gewohnheit, so macht man’s halt.  Und immer mehr machen es halt anders oder gar nicht mehr. Wenn Ostern lediglich eine Wiederholung ist, eine Inszenierung, die jedes Jahr abläuft, wenn Ostern nichts anderes ist als die Erinnerung an eine Geschichte, die sich vor über zweitausend Jahren zugetragen hat, dann mag Ostern eine schöne Gewohnheit sein, eine Tradition, die man pflegt. Ergriffen und begeistert wird man aber kaum noch sein.

Das aber ist nicht Ostern. Ostern hat für mich sehr wenig mit Geschichte zu tun. Ostern ist nicht etwas, was vor zweitausend Jahren stattgefunden hat. Ostern ist nicht zuerst Erinnerung. Ostern ist eine gewaltige Herausforderung. Und in dieser spielen wir mit. Die Leinwand, das ist unser Leben.

Die Osterbotschaft bleibt nicht eingefangen und eingesperrt in den Festtagen. Sie will in unseren Alltag einwandern. „Geht nach Galiläa.“ – so heißt die Aufforderung an die Frauen.  Dort in eurer Alltagswelt werdet ihr dem Auferstandenen begegnen. Nicht das außerordentliche Ereignis ist der Lebensraum des Auferstandenen, nicht das leere Grab ist der Ort, an dem er zu treffen ist.

Ostern ist das Fest, an dem wir den Auf-erstandenen feiern; das ganze Jahr aber ist der Lebensraum, in dem wir ihm begegnen können.

Die christliche Autorin Andrea Schwarz hat diesen Gedanken für mich wundervoll in Worte gebracht. Ich zitiere sinngemäß:

Ostern ist der Beginn, damit fängt alles an. Mit dem Sieg des Lebens über den Tod fängt alles neu an. Und ein Weg beginnt, der gegangen sein will … mitten im Alltag. Es geht darum, sich jeden Tag neu dem Tod und dem Leben zu stellen – und jeden Tag neu Auferstehung zu probieren.

Nicht dort begegnet uns die Kraft der Auferstehung, wo über sie spekuliert, sondern wo sie gelebt wird. Wege entstehen dadurch, dass man sie Schritt für Schritt geht. Aber das Ziel ist klar: Dem Leben entgegen.

/Vergleiche: Andrea Schwarz, „Eigentlich ist Ostern ganz anders “, Herder 4. Auflage 2021. Mit freundlicher Genehmigung der Verlag Herder GmbH, Freiburg i. Breisgau/

Seitens des ganzen Pastoralteams und aller Mitarbeitenden unserer Pfarrei Heilig Geist  Jülich wünsche ich Ihnen und Ihren Angehörigen von Herzen…

Frohe Ostern und Gottes Segen!

Pfarrvikar Konny Keutmann