Echo zur Predigt vom 17. März

Kategorie(n): Allgemein

Liebe Pfarrangehörige!

Versprochen hatte ich Ihnen einen Artikel im Nachgang der Rückmeldungen zu der Predigt, in der ich Macht und Macht-Missbrauch in unserer Kirche kritisiere (hörbar auf www.josef-wolff.de).

Überwältigt bin ich von den vielen Rückmeldungen:

  • Dass so viele so sehr an und in dem jetzigen System von Kirche leiden,
  • dass so viele so tiefe Verletzungen erfahren haben,
  • dass so viele sich eine so radikale Erneuerung von Kirche wünschen,

habe ich völlig unterschätzt.

Ganz viele Menschen leisten in Kirche ganz hervorragende Arbeit. Aber dass Macht auch so missbraucht werden kann, ist eine strukturelle Sünde! Besorgte Stimmen darf ich zunächst einmal beruhigen: Manchmal stimmen mich die Zustände traurig und reißen mich in die Tiefe. Aber so schnell gebe ich nicht auf, weil mir Kirche wichtig ist: Unserer Kirche verdanke ich meinen Glauben. Und Kirche möchte ich gerade nicht denen überlassen, denen irgendetwas anderes wichtiger geworden ist als das, was Jesus Christus getan und gesagt hat. Und ich möchte mich nicht irgendwann zwischen Jesus Christus und der Kirche entscheiden müssen, sondern will unsere Kirche leidenschaftlich so mitgestalten, dass sie in Treue zur frohmachenden Botschaft Jesu vom Reich Gottes erlebt wird.

Die MHG-Studie 2018 hat ganz viele – auch in den Leitungen der Bistümer – wachgerüttelt, besonders mit dem Befund:

Sexueller Missbrauch ist vor allem auch Missbrauch von Macht. In diesem Zusammenhang wird für sexuellen Missbrauch im Kontext der katholischen Kirche der Begriff des Klerikalismus als eine wichtige Ursache und ein spezifisches Strukturmerkmal genannt (Doyle 2003). Klerikalismus meint ein hierarchisch-autoritäres System, das auf Seiten des Priesters zu einer Haltung führen kann, nicht geweihte Personen in Interaktionen zu dominieren, weil er qua Amt und Weihe eine übergeordnete Position innehat. Sexueller Missbrauch ist ein extremer Auswuchs dieser Dominanz. (MHG-Studie, Zusammenfassung, S. 10)

Diesen „Klerikalismus“, der über Jahrhunderte zeitgemäß war in der ebenso autoritär-monarchischen Umwelt und insofern auch seine guten systemischen Seiten hatte, möchte ich vergleichen mit der Gülle, die von Landwirten seit Jahr-tausenden auf die Felder gebracht wird: Als Dünger gedacht, hat sie eine gute Wirkung gezeigt. Aber in einer Welt mit  Milliarden von Menschen mit Hunger nach Fleisch, in der so viel Gülle produziert wird, erhöht sie den Nitratgehalt im Boden und bedroht das Trinkwasser und wird ein  Problem, wenn sie nicht kontrolliert  eingebracht wird. Ebenso ist unsere Welt so komplex geworden, dass unkontrollierte Machtfülle bei nur wenigen Personen einen enormen Schaden anrichten kann – ganz zu schweigen davon, dass sich spätestens seit der Französischen Revolution der Wert von der Gleichheit aller Menschen und der Wert von der individuellen Freiheit gesellschaftlich in Europa durchgesetzt haben.

Bitte verstehen Sie sich als mündige Christ*innen und entfalten Sie die Begabungen, mit denen unser Schöpfer Sie beschenkt hat! Bitte arbeiten Sie mit daran, dass unsere Kirche kein Problem bei der Verkündigung wird, sondern eine Hilfe bleibt!

Befreien wir unsere Kirche von den Vorstellungen, die der Vergangenheit angehören und nur das zeitbedingt äußere Gewand von dem darstellen, was Jesus Christus im Kern allen Menschen aller Zeiten zu sagen hat und was zu unserem Glauben (depositum fidei) gehört!

Danke!
Ihr Pastor Josef Wolff